Tägliche News aus dem Bundestag

Bundesfeeds

Wie man als Journalist für die AFD schreibt.

Als mir heute das Bundesfeeds Daily von paper.li ausgespuckt wurde, da fand ich endlich eines der erwarteten Rechercheziele für Bundesfeeds: Einen Beitrag einer Münchner Regionalzeitung, in meinen Augen starke Tendenz nach Rechts, denn er Beleuchtet einfach nur “eine Seite der Geschichte” — Geteilt von einem AFDler.

“Ernüchtnernde Bilanz von Handwerk und Industrie — Flüchtlinge als Arbeitskräfte bringen einfach nichts”.

Interessant: Der Text scheint 3 Monate alt, es gab aber vor kurzem ein Update. Erst am 17.10. Wurde er dann von Andreas Mrosek, MDB geteilt bzw es war ein retweet eines AFD Support Accounts. Der Inhalt wurde dann in “bundesfeeds daily” aufgenommen. Ich hoffe beim Merkur schlafen alle recht gut, wenn man faktisch einfach das Material für die AFD Propaganda liefert. Und das nur, weil man einfach Grundregeln des Journalismus missachtet, hier zu Lasten der geflüchteten, die im Artikel nicht zu Wort kommen. 

Welche Standards kann man denn anlegen? Ich habe mal 2 herausgesucht und werde argumentieren warum diese auch passend sind.

  • Pressekodex — Weil der Merkur ein Presseerzeugnis ist und die beiden Autoren Journalisten.
  • Die “Nachrichtenregeln” — Diese kümmern sich um ausgewogene Berichterstattung und sind nicht bindend. Die Wiedergabe des Wortlaut macht das noch nicht zur “Nachricht” aka Newsworthy, jedoch aber der Inhalt — Ist halt ein heisses Thema. Sie einzuhalten bewahrt einen aber vor den hier vorliegenden “Fehlern”.

Ich zerlege die Arbeit jetzt mal genüsslich. Sollte dies extra bissig wirken: Das liegt daran, dass mir dere merkur einen recht langen Kommentar auf seiner Website gelöscht hat. Da dachte ich mir: Nehme ich mir nochmals 2 Stunden und siehe da: Er ist schlechter als gedacht.

Der Merkur eröffnet: Mercedes-Chef Dieter Zetsche glaubt an ein „neues Wirtschaftswunder“. Ich habe mal den Original Wortlaut gesucht und bin bei der FAZ fündig geworden.: „Aber im besten Fall kann es auch eine Grundlage für das nächste deutsche Wirtschaftswunder werden — so wie die Millionen von Gastarbeitern in den 50er und 60er Jahren ganz wesentlich zum Aufschwung der Bundesrepublik beigetragen haben.“

Im selben Artikel der FAZ wird nebenher noch die Forderung nach mehr Förderung von Zetsche aufgestellt. Ich finde das schon mal eine Verkürzung, schlecht zitiert und dann am Ende auch inhaltlich was anderes “glaubt an”, “Im besten falle”. Ich glaube wir werden keinen Unfall haben vs. Im besten Falle haben wir keinen Unfall.

Aus dem Pressekodex — Sorgfalt

Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen.

EIn Zitat von Waxenberger, Bauunternehmer und Ausbilder: 

„Kaum einer hält lange durch. Meist ist nach dem zweiten Tag Schluss. Entweder kommen sie danach gar nicht mehr. Oder sie haben irgendwelche Ausreden.“

Liebe Jounalisten, wie viel ist “kaum einer”, wie viel ist Meist im Falle Waxenberger (bei dem geht es um 7 Fälle)? Was sind die “Irgendwelche Ausreden”? Die Aussage könnte ja auch auf das Unverständnis Seitens Waxenberger hindeuten, was so die beweggründe von Flüchtenden angeht.

“Eine brisante Rechnung habe die Runde gemacht. „90 Prozent der Flüchtlinge brechen ihre Ausbildung im ersten Halbjahr ab. Davon wiederum 90 Prozent sind schon im ersten Monat wieder weg“, zitiert Waxenberger.”

Es gäbe da einerseits die Möglichkeit die Zahlen zu verifizieren und dann auch die Frage zu stellen, ob der Grund nicht nur bei den Bewerbern liegt. Bei den Zahlen wäre es auf jeden Fall mal schlaunoch tiefer zu schauen als nur die Anzahl an gescheiterten Bewerbern auszurechnen.

“Tatsächlich erleben wir einen massiven Einzug in unser Sozialsysteme — mit heute nicht ansatzweise absehbaren Folgen.“

Waxenberger Sozialexperte. Das eine mag die nicht zutreffende Voraussage seiner Kammer sein, das andere ist aber sein nicht vorliegender Status als “Sozialsystemexperte”. Hier wären auch Zahlen gut. Die sehen immer noch sicher nicht so gut aus, bedienen sich aber nicht den Kampfbegriffen der stark konservativen oder der AFD. Ja, Waxenberger schaut hier aus als sei er Rechts, die Verantwortung hat aber der Jounalist, der die Auswahl der Zitate macht. Da tut er mir leid. Die Meinung mag sicher im bayerischen Umland nicht so selten sein (Meinungsfreiheit), aber ob diese dann in diesem Kontext auch präsentiert wird, das ist ne andere Frage. Die Journalisten benutzen deen Waxenberger im Endeffekt zum Gaslighting, per Zitatwahl. Chapeau nach München zum Merkur und ein bisserl Mitleid an den Herrn Waxenberger.

„Die zehn größten DAX-Konzerne haben gerade einmal 50 Azubis.“

Auch hier hätte man schreiben können, es seien 50 Geflüchtete gemeint, eine Quelle angeben oder Kontext dazu. Die tatsächlichen Zahlen wären toll. Das die Leser fehlgeleitet werden, sieht man auch an dem Aufklärungsversuch einer Userin in den Kommentaren, die dann leider nicht ganz die richtige Frage stellt. Auch hier sind die Fakten sicher eher belastend, aber vielleicht doch besser zu verknusen als das Zitat eines Zitates.

Waxenberger weiß, dass ihn jetzt einige in die rechte Ecke stellen. Dabei will er den Flüchtlingen nicht einmal große Vorwürfe machen. „Das Hauptproblem sind die mangelnden Sprachkenntnisse. Es ist nun einmal Tatsache, dass viele Zuwanderer Analphabeten sind. Sie können weder lesen noch schreiben und sollen eine fremde Sprache lernen. Wie soll das funktionieren?“

Na, der Herr Waxenberger wird so rassistisch sein wie sein Umfeld im Schnitt (so wie wir alle). Aber das Verbinden von Analphabetentum mit dem absprechen der Möglichkeit die Sprache zu erlernen, dazu hätte man einen Experten befragen können (Antwort: its fucking complicated) und hätte erfahren, dass diese Bewertung unter anderem auch eine rassistische Note hat.

Warum es politisch so gewollt ist, aus Flüchtenden erst mal ungelernte Arbeiter werden zu lassen und warum eine moderne Baufirma (das unterstell ich dem Waxenberger einfach) überhaupt jemanden nimmt, der nicht lesen und nicht schreiben kann, das erschließt sich mir nicht. Warum wir nicht die Kapazitäten in den Schulen haben, oder im 2ten Bildungsweg, das erfahre ich auch nicht.

Was ich gelernt habe

  • Der Merkur betreibt Tendenzjournalismus nach eigenen Standards
  • Politiker, völkischer Parteien nutzen diese Inhalte.
  • Die Reduktion von Kontext und Einordnung auf quasi 0 wird hier zur Tendenz
  • Man will dort Probleme einseitig betrachten und eben keine Lösungen aufzeigen

Ich höre hier mal auf zu schreiben, aber ich hoffe Die Redaktion ändert etwas. Das ist nicht das erste Stück vom Merkur mit diesem Tenor. Ist ja auch eine eher konservative Zeitung, aber das befreit, Situation hin oder her, nicht von Standards. Diese sollen u.a. Verhindern, das man als Werbung bzw. Begründung für einen Haufen wie die AFD dient.

Mit freundlich erhobenem Stinkefinger S.